Klimaneutralität in Mehrfamilienhäusern bis 2045 – Der Status quo bei WEG
Das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2045 ist ehrgeizig und kann ohne Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) nicht erreicht werden. Die Sanierungsrate von Mehrfamilienhäusern im Besitz von WEG liegt deutlich unter dem nationalen Durchschnitt, und im Hinblick auf die Überarbeitung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) ist eine Verschärfung der Energieeffizienzanforderungen durch den Gesetzgeber und ein zunehmender Handlungsdruck auf WEGs zu erwarten.
Im April und Mai 2022 wurde im Rahmen der deutschlandweiten GREEN Home-Onlinebefragung mit WEG-Verwaltungen und Wohnungseigentümergemeinschaften die Perspektiven von Wohnungseigentümerinnen und WEG-Verwaltungen zum Status quo der Sanierung von Mehrfamilienhäusern in Deutschland erhoben. Ziel der beiden Umfragen war es, die Investitionsmotive der Bürgerinnen zur Förderung von energetischen Sanierungen und die Hemmnisse, die für den Sanierungsstau verantwortlich sind, zu ermitteln. Die Analyse stützt sich auf die Antworten von 63 Eigentümer*innen und 78 Immobilienverwaltenden. Zusätzlich hat das Forschungsteam weitere aktuelle Studien ausgewertet, um die Analyse zu bereichern.
Gebäudebestand – schlecht wahrgenommen
Die Umfrage ergab, dass die Altersverteilung der WEG-Gebäude fast identisch mit der Altersverteilung des gesamten Wohngebäudebestands in Deutschland ist (BBSR 2014). 60% der Gebäude wurden vor 1979 gebaut und bieten somit hohe Energieeinsparpotenziale, da sie vor der ersten Wärmeschutzverordnung (WSchV 1977) errichtet wurden. Die Sanierungsrate in den Wohngebäuden ist deutlich unterdurchschnittlich, und die Gesamtsanierungsrate von 1% in Deutschland liegt weit unter dem, was notwendig ist, um bis 2045 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen (Galvin 2014). Laut der GREEN Home Umfrage wurden in den letzten fünf Jahren nur in 31% der Gebäude Sanierungsarbeiten durchgeführt.
Handlungsdruck, Bewusstsein und Bereitschaft zu investieren
Mehr als 90% der Teilnehmenden aus beiden Zielgruppen sehen in den kommenden Jahren strengere gesetzliche Sanierungsanforderungen. Die Mehrheit der Eigentümer*innen (90%) setzt sich aktiv dafür ein, dass anstelle von einfachen Reparaturen eine energetische Sanierung durchgeführt wird, wenn dies wirtschaftlich sinnvoll ist. Vor allem die gestiegenen Energiepreise motivieren die Eigentümer*innen, umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Über 90% der Hauseigentümer*innen sind bereit, mehr Geld in energetische Maßnahmen zu investieren. Nur 10% der Eigentümer*innen wollen dies nicht tun.
Die Finanzierungslücke – oft das erste wahrgenommene Hindernis
Die wahrgenommenen Gründe für mangelnde Investitionen von Hausbesitzern in Renovierungen sind hauptsächlich finanzieller Natur. In anderen Umfragen wurden lange Amortisationszeiten von Energieeffizienzmaßnahmen, Kosten, die die finanziellen Möglichkeiten der Eigentümer*innen übersteigen, und fehlender Zugang zu Kapital als Haupthindernisse für Wohnungseigentümer*innen bei der Renovierung genannt (BBSR 2014). Die GREEN Home-Umfrage fügt dieser Liste der am häufigsten gesehenen Hindernisse fehlende Informationen über den Renovierungsbedarf des Gebäudes und die gesetzlichen Anforderungen (66% Zustimmung) sowie eine fehlende Renovierungs- und Werterhaltungsplanung (52% Zustimmung) hinzu.
Motive und Hemmnisse – Perspektive des Immobilienverwalters
Für die Immobilienverwaltenden ist das Haupthindernis die fehlende Wirtschaftlichkeit, da die übliche Finanzierungsdauer von zehn Jahren zu kurz ist (68%). Es ist dringend notwendig, das Bewusstsein für das Thema zu schärfen: 68% bezweifeln die Sinnhaftigkeit der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen und 62% geben an, dass die Instandhaltungsrücklagen von WEG in der Regel zu gering sind. Im Allgemeinen sind sich die Immobilienverwaltenden jedoch einig, dass Klimaschutz für die Gebäudebewirtschaftung relevant ist (92,5%) (VDIV Weiterbildungsumfrage 2021). 42% der WEG beklagten, dass ihre WEG-Verwaltung bei ohnehin notwendigen Sanierungen Investitionen in die Energieeffizienz nicht ausreichend berücksichtige. Als Gründe für die mangelnde langfristige Planung von Werterhalt und Sanierungen nannten die WEG-Verwaltungen: hoher Vorbereitungsaufwand (61%), mangelndes Interesse der Wohnungseigentümer (78%), geringe Personalkapazität (50%), zu geringe Vergütung (50%).
Motive und Barrieren – Perspektive der Hauseigentümer
Während die Finanzierung ein großes Problem für Wohnungseigentümer*innen zu sein scheint, sehen sie auch die finanziellen Vorteile von Renovierungen. 90% stimmen zu, dass steigende Energiekosten ein Motiv für umfassende Renovierungen sind. Der dauerhafte Werterhalt ist ein weiterer Grund (84%), gefolgt davon, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und der Inanspruchnahme umfangreicher Förderungen, denen jeweils 82% der Eigentümer*innen zustimmen.
Die Informationslücke – Ist sie der Schlüssel?
Es stellt sich die Frage, welche Informationen und Finanzierungsinstrumente Eigentümer*innen und Verwaltende benötigen, um sich für eine Renovierung zu entscheiden. Die Umfrage hat gezeigt, dass Informationsmaterialien über Fördermittel, Finanzierungsmöglichkeiten, gesetzliche Vorgaben, Kosteneinsparungen und geeignete Sanierungsmaßnahmen für verschiedene Gebäudetypen benötigt werden.
Wie kann die Lücke geschlossen werden?
Vor allem Sanierungsfahrpläne wurden als dringend benötigte, aber noch nicht etablierte Entscheidungshilfen identifiziert. In der Umfrage stimmten 95% der Eigentümer*innen zu, dass Sanierungsfahrpläne ein Instrument zur Berechnung von kurz-, mittel- und langfristigen Investitionen sein könnten. Sie schaffen Transparenz darüber, welche Maßnahmen notwendig sind und sollen ein ganzheitliches Bild des Sanierungsbedarfs vermitteln (93% Zustimmung). Weitere wichtige Faktoren sind:
- Argumentationshilfen zur Aufstockung der Instandhaltungsrücklage
- Ermöglichung der Koordinierung individueller Teilrenovierungen
- Hilfe bei der Planung von Finanzierungen und Investitionsentscheidungen
- Moderationshilfe bei Entscheidungsprozessen
- Informationen zum Verbraucherschutz beim Kauf einer Eigentumswohnung
Entscheidend ist, dass WEG-Verwaltungen das Thema frühzeitig in der Eigentümerversammlung platzieren, denn laut 87% der Eigentümer*innen wird das Thema erst dann diskutiert, wenn akuter Handlungsbedarf besteht. Zu diesem Zeitpunkt bleibt oft nicht mehr genügend Zeit, um eine umfassende Renovierung zu erwägen und zu planen.
Zurück zur Finanzierungslücke
Wie die Analyse der Hemmnisse gezeigt hat, sind für eine umfassende Gebäudesanierung neben Informationen vor allem geeignete Finanzierungsinstrumente erforderlich. Instandhaltungsrücklagen spielen bei Renovierungen in WEG die wichtigste Rolle (67% der Renovierungen), was darauf hindeutet, wie wichtig es ist, die Rücklagen zu erhöhen. Andere typische Finanzierungsquellen sind Sonderumlagen (33%), WEG-Darlehen (5%) und Förderungen (9%).
Die Mehrheit (60%) der Eigentümer*innen ist bereit, ein langfristiges Darlehen über 10 bis 15 Jahre für umfassende Renovierungsarbeiten aufzunehmen, wenn die Darlehenskosten durch die Energieeinsparungen gedeckt sind. 20% sind unentschlossen, und 20% lehnen die Aufnahme eines Kredits ab.
Wie wäre es mit „Lösungen aus einer Hand“?
Die Verwaltenden (97%) sehen den Nutzen von „Lösungen aus einer Hand“ (z. B. in Form von Energy Performance Contracts), welche Finanzierung, Förderung, Planung, Umsetzung und kontinuierliche Wartung umfassen. Staatliche Beihilfen und Subventionen werden von den Verwaltenden als unzureichend angesehen. 71% sind der Meinung, dass bessere Förderungen die Sanierungstätigkeit erhöhen würden. Im Durchschnitt wird das Antragsverfahren für die derzeitigen Fördermittel eher schlecht (32,5%), als gut (13%) bewertet.
Klimaneutralität kann nur gemeinsam gelingen
WEG-Verwaltungen spielen eine Schlüsselrolle, wenn sie WEG über die Notwendigkeit von Renovierungen aufklären, um den Wert ihrer Immobilien zu erhalten. Deshalb wissen sie, woran es mangelt und wo ein Bedarf besteht: Die Entwicklung von Finanzierungskonzepten (51%), Beratungsangeboten (91%) und Online-Informationsplattformen (88%) sowie regionale Informations-/Beratungsstellen (90%) erhielten die höchste Zustimmung bei WEG-Verwaltungen. Regionale Anlaufstellen, die als One-Stop-Shops fungieren, können von Verwaltungen und WEG genutzt werden. Sie bieten energetische Sanierungen „aus einer Hand“ an, d.h. sie unterstützen bei der Beratung, der Auswahl von Optionen und geeigneten Finanzierungsinstrumenten sowie der Projektumsetzung. Bundesweite Informationsstellen wurden dagegen als „nicht sinnvoll“ eingestuft. Sowohl für Eigentümer*innen als auch für Verwaltenden ist die Nutzung ihrer persönlichen und beruflichen Netzwerke, abgesehen von Websites von Interessengruppen und Verbraucherschutzverbänden, die wichtigste Informationsquelle zum Thema Gebäudesanierung.
Welche Informationen sind für die gemeinsame Entscheidungsfindung von WEG relevant?
Die notwendige Mehrheit in Eigentümerversammlungen zu erzielen, ist eine besondere Hürde, insbesondere wenn alle Wohnungseigentümer*innen die Kosten der energetischen Sanierungsmaßnahmen tragen müssen. Nur gut informierte Eigentümer*innen sind bereit, das notwendige Kapital zu investieren. Dazu sind verschiedene Arten von Informationen für die gemeinsame Entscheidungsfindung in den WEG notwendig: Am häufigsten genannt wurden Informationen über Fördermittel, die im Verhältnis zu den Kosten in €/m2 und den prognostizierten Energieeinsparungen in € pro Monat eingesetzt werden können.
Vor allem Informationen über Förderungen/ Subventionen werden als besonders wichtig erachtet (98%). Zu den drei am häufigsten genannten Informationen gehören auch der aktuelle gesetzliche Mindeststandard für Wohngebäude (91%) und die transparente Darstellung der Kosteneinsparungen pro Wohneinheit (m2) bei Sanierungen (90%).
Weitere Informationen
Projektbericht: Umfrageergebnisse
Quellen
BBSR [Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung] (2014): Investitionsprozesse bei Wohnungseigentümergemeinschaften mit besonderer Berücksichtigung energetischer und altersgerechter Sanierungen. Bonn: BBSR. https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/Sonderveroeffentlichugen/2014/In-vestitionsprozesse.html?nn=445354.
Eisfeld, Kristina (2022): Woran liegt’s? Eine GREEN Home- Befragung von Eigentümergemeinschaften und Verwaltungen ermittelt Hürden für energetische Sanierungen. VDIVaktuell 05-22.
Galvin, Ray (2014): Warum deutsche Hausbesitzer vor der Nachrüstung zurückschrecken. In: Bauforschung & Information 42 (4), S. 398-408. https://doi.org/10.1080/09613218.2014.882738
Pfeffing, J. (2021): Welches Know-how ist gefragt? Das ergab die diesjährige Umfrage des VDIV Deutschland zum Bildungsbedarf der WEG-Verwaltungen VDIVaktuell 8/21. Online verfügbar unter https://www.archiv.ddivaktuell.de/blog/welches-know-how-ist-gefragt-das-ergab-die-diesjaehrige-umfrage-des-vdiv-deutschland-zum-bildungsbedarf-der-weg-verwaltungen, zuletzt geprüft am 30.06.2022.